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»Wir mussten schnell machen«

Michael Bräuer
im Gespräch mit Chup Friemert
25. Mai 2016

Archiv bauhaus dessau e.v.

Chup Friemert | C F: Ich will unseren kleinen Verein ins richtige Licht setzen. Es beginnt 1989/90, und bis 1994 war ja der bauhaus dessau e.v. nominell der Betreiber des Bauhauses. Es gibt keine Protokolle, wenigstens habe ich sie noch nicht gesehen; es gibt nichts Aufgeschriebenes. Und da der Bauhausverein nun 25 Jahre besteht, haben wir beschlossen, wenigstens zu versuchen, diese Zeit und die dazugehörige Vorzeit mit den Zeitzeugen zu besprechen, also mit jenen Vereinsmitgliedern, die noch leben. Daraus soll eine kleine Broschüre entstehen, weil sonst die ganze Geschichte verschwindet.

Michael Bräuer | M B: Ja, von dieser Übergangszeit findet sich sehr wenig. Jetzt, nach 25 Jahren, wird begonnen, die Arbeit der letzten DDR-Regierung aufzuarbeiten. Das Bundesarchiv ist permanent hinter mir her; Frau Rauschenbach und ich waren schon mehrfach zusammen in Lichterfelde – aber Du findest nichts. Von der Modrow-Regierung gar nichts, von der Regierung de Maiziére nur Bruchstücke.

C F: Wo sind denn die Protokolle und Aufzeichnungen hingekommen?

M B: Ich weiß es nicht, sie können ja gar nicht ganz weg sein, aber wo sie sind, weiß ich nicht.

C F: Ich habe bisher mit Jürgen Marten, mit Karl-Heinz Burmeister und mit Gerd Behrens gesprochen. Mit Rolf Kuhn hatte ich noch keinen Kontakt.

M B: Ich war ab 1994 kaum mehr dabei und ich weiß nicht, wie es zu dem Bruch gekommen ist. Rolf Kuhn wird sicher eine Sichtweise darauf haben, aber mit der Stiftungsgründung hat Rolf sich dann eben der neuen Situation zugewandt. Und dass er da nicht an unserem kleinen Verein gehangen hat, kann ich schon verstehen.
Rolf Kuhn war von Beginn an dabei, und eigentlich fängt mit ihm meine Beziehung zum Bauhaus an. Er ist 1986 ans Bauhaus als Direktor gekommen und hat immer, wenn wir uns trafen, über Gebhardt, den Stellvertreter von Bauminister Wolfgang Junker, geklagt, weil das ein Technokrat war und mit einem Menschen, der einen kulturellen Anhauch hatte, überhaupt nix am Hut hatte. Er war auch stellvertretender Minister für Wissenschaft und Technik. Rolf Kuhn landete automatisch unter ihm. Und als ich dort am 21. Dezember 1989 bekannte, dass ich am 15. Januar 1990 bei Gerhard Baumgärtel als Staatssekretär für Raumordnung, Städtebau und Architektur anfange, muss der es dem Rolf gesteckt haben, denn da rief Rolf mich überschwänglich an. Baumgärtel hat das sofort reguliert, Bauhaus kommt zu Bräuer, weg von Gebhardt.

Die ersten Sachen, die wir schnell machen mussten, war zum Beispiel die Energieumstellung. Wir sollten das Bauhaus mit Braunkohle versorgen. Vor den Kellerfenstern lagen die Braunkohleberge. Das haben wir relativ schnell abgebogen. Das zweite war, dass Kenzo Tange unbedingt mal das Bauhaus besichtigen wollte. Das Prellerhaus war in fragwürdigem Zustand. Da haben wir in einem ganz schnellen Projekt mit Inken Baller einen Nassbereich eingebaut und dann im Mai kam Kenzo Tange mit einem Riesenstab. In dieser ganz frühen Phase kam Rolf bei mir an und sagte, er wisse auch nicht, wie das mit dem Bauhaus nun weitergehe, aber der Herr Oetker habe sich bei ihm gemeldet. Er wollte das Bauhaus sofort übernehmen, um dann das Bauhaus auf seine Puddingtüten zu drucken. Dann habe ich mich mit Martin Kelm, dem Staatssekretär für industrielle Formgestaltung der DDR, kurzgeschlossen. Wir haben uns schnell verständigt und am 6. März 1990 am großen Tisch bei Kelm den Verein gegründet.

C F: Wer war dabei?

M B: Martin Kelm, Rolf Kuhn, Christian Schädlich, Claude Schnaidt, Bruno Flierl, einer von den Hirdinas, Peter Bode, Dr. Siegfried aus dem Westen, Uli Peickert, Karl-Heinz Burmeister und ich.

C F: Damit war der Verein gegründet. Du hast dann aber nicht mehr so viel mit dem Bauhaus zu tun gehabt, oder? Die Arbeit am Programm war dann ja nicht mehr im Bauministerium angesiedelt.

M B:
Ja, es gab aber schon früher Aktivitäten, die dann in das Programm eingeflossen sind. Bernd Grönwald hatte immer schon interessante Veranstaltungen organisiert, und sie hatten ja Jos Weber, der an der Hamburger Hochschule für bildende Künste im Fachbereich Architektur lehrte, auf die Gropius-Professur nach Weimar geholt. Das war erlaubt, weil er Luxemburger war. Weber hat viele Persönlichkeiten angezogen, was Rolf Kuhn natürlich sehr half.

C F: Jos Weber war da eine wichtige Schaltstation. Er hat mich mit Dr. Siegfried in Lüneburg zusammengebracht, noch ehe ich zum Verein hinzugestoßen bin. Siegfried wollte meine Vorstellungen hören, wie das Bauhaus betrieben werden sollte. Er hat mich dann auch später mal nach Magdeburg ins Ministerium mitgenommen und wollte mich überreden, doch unbedingt bei der Wahl zum Direktor zu kandidieren. Ich wollte das nicht. Neben Jos Weber haben die Weimarer auch mit den Bauhaus-Kolloquien sicherlich einen großen Einfluss gehabt. Und sicher hatte Bernd Grönwalds Person großen Einfluss.

M B:
Wenn Bernd [Grönwald] in der Phase nicht da gewesen wäre, weiß ich nicht, wie das mit dem Bauhaus verlaufen wäre. Der hat das von Weimar kommend mit Verve und Vehemenz betrieben. Ich weiß nicht, wen er da im ZK hatte – vielleicht Benny Heumann, der sich rühmte, noch auf Lenins Knien gesessen zu haben. Das war kein Apparatschik, sondern ein kulturell Aufgeschlossener, einer, der wusste, woran es der Partei fehlte. Und der hat verstanden, was Bernd meinte, und mit seiner Deckung konnte Bernd handeln. Er wäre ohne Benny Heumann auch 1986 nicht Direktor vom ISA geworden. Lammert hatte keine Lust mehr, das weiter zu machen und hat gesagt: Schluss. Dann ist Bernd Direktor geworden und Rolf wurde nach Dessau geschickt. Ich war 1986 in Nordkorea mit Hubert Scholz und dem Parteisekretär des BDA. Wir sind gerade über Tschernobyl geflogen, als der Reaktor in die Luft flog. Der Parteisekretär hat die ganze Zeit gelästert, dass Bernd Grönwald den Posten bekommen hat und nicht irgend ein anderer. Mit offenen Armen wurde er nicht empfangen.

C F: Welchen Einfluss das Kulturministerium hatte, das ja auch eingebunden war in die Konstruktion zur Bespielung des Bauhauses, weiß ich nicht. Aber das Bauministerium war am wenigsten zu durchschauen. Auf der einen Seite haben sie am meisten bezahlt für das Bauhaus, auf der anderen Seite hatte Gebhardt kein Verständnis für all das, was mit den Bauhaus gemeinhin verbunden wird. Aber Bernd Grönwald hat sicher Rolf Kuhn auch den Rücken freigehalten.

M B: Bernd Hunger müsste eigentlich sehr gut Bescheid darüber wissen, wie es 1986 bis 1990 im Bauministerium in Bezug aufs Bauhaus zugegangen ist. Er war ja auch bei dem Seminar dabei, aus dem für manche innerstädtischen Ecken in Dessau Entwürfe hervorgegangen sind – und da war Bernd sicher voll integriert. Gabriele Muschter war während der Regierung de Maizière Staatssekretärin in Kultusministerium, vielleicht weiß sie, was von Seiten des Ministeriums unternommen wurde.
Ich war nur zweimal in dieser Zeit in Dessau: Einmal, als mit Jansen die Brundtland Summer School dort war. Es war eine sehr interessante Veranstaltung. Und dann war ich noch dabei, als der Bauausschuss des Deutschen Städtetages mit seinem Sprecher Hans Adrian dort im Rahmen einer mehrtägigen DDR-Rundreise getagt hat. Das waren für uns wichtige Begegnungen.

Nach der Gründung habe ich nur noch einmal ganz intensiv am Bauhaus mitgemischt in den 10 Monaten, die wir da regiert haben: beim Dessauer Gespräch des BDA im Juni 1990. Das ist ganz gut dokumentiert. Da haben die beiden BDAs nach Dessau eingeladen. Das waren die ersten Begegnungen, die wir hatten.

Michael Bräuer (*1943), Architekt, Städtebauer, Denkmalpfleger und Stadtpolitiker, war Gründungsmitglied des bauhaus dessau e.v.

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