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»Wir gründen einen Bauhausverein!«

Jürgen Marten
im Gespräch mit Chup Friemert
18. November 2015

Bauhaus Dessau
Archiv bauhaus dessau e.v.

Chup Friemert | C F: Jürgen Marten, reden wir über das Klima in der Zeit um 1989, in dem der bauhaus dessau e.v. gegründet wurde. In dieser Zeit gab es ja viel kulturelles Engagement, viele Hoffnungen, viele Initiativen. Du warst beteiligt.

Jürgen Marten | J M: Wir haben die Kulturinitiative ’89 als Verein gegründet. Und ich habe mit Olaf Schwencke im Hinterzimmer gesessen; wir kannten uns, er war Präsident der Kulturpolitischen Gesellschaft im Westen und gleichzeitig Leiter des Studienzentrums in Loccum. Wir haben Wein getrunken und uns mit großer Naivität versprochen, dass wir niemanden aus dem Westen und die niemanden aus dem Osten in die jeweiligen Vereine aufnehmen. Wir wollten uns erst mal selbständig, autonom entwickeln und dann aufeinander zugehen. Ich habe daran geglaubt und Schwencke sagte mir, auch er habe daran geglaubt.

Jetzt, nach 25 Jahren, in einem Gespräch zwischen Olaf Schwencke und mir für das Jahrbuch der Kulturpolitischen Gesellschaft, hat er folgendes erzählt: Erstens, dass das Möllemann-Ministerium gesagt hat, du kriegst Geld, du machst in Berlin ein Büro auf und wir bringen denen im Osten mal bei, was kommunale Kulturpolitik ist. Punkt zwei, dass er im Vorstand seiner kulturpolitischen Gesellschaft von dieser unserer Verabredung berichtet hatte, und die sagten: Kommt nicht in Frage. Wir nehmen jeden. Wir schicken doch keinen weg. Deshalb sind ja alle aus der ehemaligen DDR dorthin gegangen, die hatten ja die Knete. Allein dieses Faktum mal zu erwähnen, dass es da auch Überlegungen gab von Leuten, die etwas anderes wollten, finde ich schon ganz gut.

C F: Das ist auch der Grund und der Anlass, weshalb ich Gespräche über die Arbeit führe, die im Zusammenhang mit dem Bauhaus in der DDR gemacht worden ist. In dieser Übergangszeit, in der es – bitte – viele Illusionen gab, ist eine außergewöhnliche inhaltliche Debatte geführt worden, die nicht vorkommen wird, die unter den Tisch fällt: Das ›Festgezurrte‹ wird diese Debatte zum Verschwinden bringen. Und deshalb mache ich jetzt zum 25-jährigen Bestehen des Bauhausvereins diese kleinen Gesprächsrunden. Mich interessiert diese Clique, die sich in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre in der DDR ums Bauhaus gekümmert hat. Da weiß ich manches aus Weimar. Aber es gab ja auch eine, ich nenne sie mal ›Berliner Abteilung‹: ein Kreis, der sich aus Zusammenhängen des Amts für industrielle Formgestaltung und dem Bauministerium ums Bauhaus gekümmert hat. Und du warst ja in der Kulturpolitik in Berlin, der Hauptstadt der DDR, eine tätige Figur.

J M: Ja, ich war auch Direktor des Instituts für Kulturforschung, das wir als Verwaltungsbetrug in der DDR gegründet hatten. Ich habe dem Dietmar Keller gesagt, also ich mache so was nur, wenn das ein Hochschulinstitut wird, weil ein administratives Institut ja Quatsch ist. Und dann haben die gefragt, ja wo denn? Und ich: na, an der Kunsthochschule. Den Womacka konnte ich überreden und dann wurde das Institut für Kulturforschung an der Kunsthochschule Berlin eingerichtet. Dann kann man noch als Fußnote sagen, dass ich, nachdem ich habilitiert hatte, noch Professor werden musste, sagte der Minister: Na, da machen wir doch einen Lehrstuhl für sozialistische Kulturpolitik. Ja, sagte ich, da werde ich im Ausland und bei der UNESCO groß Furore machen als Lehrstuhlinhaber für sozialistische Kulturpolitik. Ja, was sollen wir denn machen? Na, dann machen wir einen Lehrstuhl für »Geschichte und Theorie der Kulturpolitik«. Och, sagte er, ja und hat mit dem Minister für die Hochschulen geredet und in der Tat ist es so geworden. Man konnte mit einer gewissen subversiven Energie einiges machen.

C F: Erzähl mir noch etwas zu deinem Institut.

J M: Das hieß »Institut für Kulturforschung«. Dazu gibt es noch eine lustige Episode. Der Kulturminister der DDR hatte ja manchmal einen Rappel. Einmal hat er in einer Dienstberatung gesagt, er habe gerade gelesen, im Westen gäbe es soundso viele Analphabeten, wie viele gibt es denn bei uns? Und dann hatte er eine Idee. Also Genossen, wir werden jetzt mal eine Veranstaltung machen, da laden wir alle Kulturwissenschaftler der DDR ein, also die Lehrstuhlinhaber – Hanke, Mühlberg, Bisky, Lothar Parade.

C F: Wann war das?

J M: 1987 oder 88, die Wende war noch nicht erahnbar. Da hat der nur zuhören wollen und wir haben dann vom Leder gezogen, weil wir haben ja immer gesagt: intern. Dann gab es Mittagspause, ich ging auf die Toilette und traf auf meinen Kulturminister. Und der guckte mich ganz traurig an und sagte: Na ja, aber wie sagen wir das nun unseren Oberen? – Na, ich denke Du bist ein Oberer. – Dann lachte der und machte eine resignierende Handbewegung.

Ich bin ja an das Institut gekommen, weil ich keine Lust mehr hatte, Rechtstheorie zu machen. Das Institut an der Akademie ist aus politischen Gründen aufgelöst worden und dann war ich an der Hochschule für Ökonomie, aber das war alles zu langweilig. Da hab ich mich umgesehen: Im Ministerium für Kultur hatten sie so ein Institut für Weiterbildung. Da gab es eine Arbeitsgruppe und da wollten sie jemanden für Kulturökonomie und da haben sie mich eingestellt. Das Problem des Instituts war, dass es geleitet wurde von einem Idioten und einer Idiotin. So war mein Trend von vorne herein, mich da zu trennen. Dann wurde erst mal eine selbständige Abteilung Wissenschaft gebildet, und dann hab ich dem Dietmar Keller eingeredet, dass man daraus eine Hochschuleinrichtung machen muss. Das wurde auch gemacht. Die Idee war, eine vernünftige Basis für Kulturpolitik zu erarbeiten.
Es gab einen ›Problemrat Kulturwissenschaften‹. Der engere Kreis waren Hanke, Bisky, Mühlberg, Parade und ich. Mühlberg sorgte an der Humboldt-Universität dafür, dass alle Absolventen mal in eine staatliche Dienststelle kamen und dann wieder zurück gingen an die Uni, so dass mittlerweile ein Netzwerk aufgebaut war. Die Leute waren organisiert und man konnte auf die anders zugreifen als über staatliche Weisungen. Das war ein wirklich subversives Netzwerk. So bildeten sich andere Strukturen und man konnte anders arbeiten. Wir haben ja auch versucht, eine Kulturstatistik zu entwickeln, wir haben Kulturrecht gemacht. Wir haben eine große Analyse des Arbeitskräftevermögens im Kulturbereich gemacht. Die ist heute noch ohne Vergleich. Das haben wir mit einer riesigen Fragebogenaktion erforscht. Wir haben auch eine kulturelle Geografie der DDR gemacht. Da hat uns Bernd Grönwald sehr geholfen, weil die an der Bauakademie eine große Druckmaschine hatten. Wir haben alle Kultureinrichtungen kartografiert. Die Idee stammte vom »Atlas culturel« in Frankreich. Ich fand das eine großartige Idee, einfach sichtbar zu machen, was an Kultur so da ist. Dann hat man Mitte der siebziger Jahre Kulturprognosen gemacht, das erste Projekt war »Kultur 2000«: Wie sieht es denn dann aus mit der Kultur in der DDR und in der Welt im Jahre 2000?

Die Kulturtheoretiker in der DDR haben den weiten Kulturbegriff verfolgt als Kulturbegriff in einer arbeitenden Gesellschaft. Das Problem ist – und darüber streite ich heute noch mit Mühlberg: Die haben nix von Kunst verstanden, so dass es immer einen großen Widerspruch gab, der bis in die politischen Etagen hineingeht, ja was ist denn nun Kultur, was ist mit der Kunst? Kunst war immer fragwürdig. Da war ein großer Widerspruch zwischen denen, die eine Kunstaffinität besaßen, und denen, die sehr pragmatisch Kultur entwickeln wollten.

C F: Die Auseinandersetzungen um die Kunst hatten oft etwas Lächerliches an sich. Ihr wurde eine Kraft zugesprochen, die sie niemals erreichen kann.

J M: Das lag daran, dass die Politiker nichts von Kunst verstanden haben, aber auch daran, dass ganz viele Leute, die für den Sozialismus waren und ihn entwickeln wollten, mit dem Zustand, den sie in der DDR erlebten, nicht sehr zufrieden waren und immer eine Hoffnung hatten, dass es besser wird. Und dass man sich über Zukunft verständigen muss und dass man vielleicht etwas dazu beitragen könnte, dass es besser wird. Kunst war immer ein Anlass zur Kommunikation über Entwürfe von Leben und Gesellschaft. Das spielte eine große Rolle und das haben auch die Funktionäre gewusst. Die haben doch nicht gegen irgendein Kunstwerk etwas gemacht, sondern die haben etwas gemacht, weil sie wussten, welche Prozesse es auslöst – ein neuer Strittmatter, eine neue Christa Wolf, ein neuer Aitmatow – was da so passiert mit den Leuten. Es war ja immer die Hoffnung, es könnte besser werden, vielleicht überzogen und utopisch.

Wir haben einen Paradigmenwechsel. Die Hoffnung, die jetzt herrscht, ist doch die, dass es um Gottes Willen nicht noch schlechter wird. Bloß nicht noch schlimmer! Deshalb hat auch die Kunst keine Chance, weil es kein verallgemeinertes Bedürfnis gibt, über Zukunft nachzudenken, sondern darüber, wie man in der Gegenwart einigermaßen durchkommt. Und da war die DDR natürlich irgendwo ein Spezifikum. Dass Leute wie Eisler und Brecht in die DDR gekommen sind, obwohl sie auch den Atem der Provinz, wie Brecht formuliert hat, verspürt haben, lag an zweierlei: Brecht hatte die traumatische Auffassung, dass der Schoß tatsächlich noch fruchtbar ist. Der hatte eine ungeheure Angst, dass der Faschismus, der so verwurzelt ist, wieder auflebt. Und wenn du jetzt den Film über Fritz Bauer siehst, dann merkst du auch, wie die Atmosphäre war. Und dann ist der Eisler nach dieser ganzen Faustus-Geschichte nach Wien gegangen. Er war ja kein DDR-Bürger und sie haben ihm kein Einreisevisum gegeben und sie wollten nicht, dass er zurück kommt. Dann hat Eisler einen Brief an das Politbüro geschrieben, nachdem sie ihn hier so kaputt gemacht haben, er kann nur in der DDR komponieren. Und dann hat mir einer, der es weiß und wusste, folgende Anekdote erzählt: Eisler wollte zurück in die DDR, und in den Tagen, in denen er zurück wollte, kam in Schönefeld ein spanischer Kommunist an. Und der diensthabende Offizier hatte irgendeine Anweisung oder Information nicht gelesen und hat den spanischen Kommunisten, der kein Visum hatte – natürlich nicht, wo sollte er das denn her haben! – nicht einreisen lassen. Es gab ein ungeheures Theater und er hat eins auf den Deckel gekriegt. Am nächsten Tag kam Hanns Eisler aus Wien bei dem gleichen Offizier an. Eisler hatte auch kein Einreisevisum. Da hat der Offizier ihn hereingelassen, was er eigentlich nicht sollte.

C F: Diese Bedeutung der Kunst für die Vorstellungen über Zukunft verweist aber auf ein Defizit an anderer Stelle.

J M: Ja, natürlich. Die Bürokraten im ZK wollten ja diese Zukunftsdiskussion nicht. Die hatten Angst vor der Kunst, weil sie gemerkt haben, dass immer dann, wenn so was kommt, die Leute diskutieren.

C F: Kommen wir wieder zum Bauhaus und den Bauhausverein.

J M: Das mit dem Bauhaus war ja immer zwiespältig, aber zu dem einen Jubiläum haben sie doch viel Geld investiert und das Gebäude restauriert, und da gab es eine gewisse Öffnung. Es gab auch eine Festveranstaltung. Wir waren da, auch die Fritz DonnerRolf Kuhn zusammenhingen und die nicht so gut gelaufen sind. Er hat sich in der Auseinandersetzung mit dem Bauhausverein ganz seinen Interessen gemäß und dann sofort opportunistisch verhalten. Insofern ist er kein besonders interessanter Mensch. Ja, das war der Anfang.

C F: Karl-Heinz Burmeister hat es so dargestellt, dass es eine doppelte Verantwortung am Schluss gab, einmal Bauministerium und dann AiF.

J M: Es gab eine dreifache Verantwortlichkeit: Bauministerium, AiF und Kulturministerium. Die wurde auch wahrgenommen, wobei die Hauptfinanzlast das Bauministerium getragen hat. Da wurden auch eine Menge Konzepte gemacht, ich hab vieles vergessen, ich hab auch keine Unterlagen mehr. Es gab ständig Beratungen und es war auch der Wille da. Es gab bei den Beteiligten eine große Aufgeschlossenheit, mit dem Bauhaus etwas zu machen und es nicht nur als kulturelles Erbe, sondern als eine richtige kulturelle Institution zu betrachten. Und alles zielte zunächst darauf ab – gegen die Widerstände, die es in der DDR gab –, eine Position deutlich zu machen und auch zu verbreiten. Das war in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre. Und auch mit der Rekonstruktion der Meisterhäuser ist begonnen worden. Es ist ja nicht alles erst nach der Wende entstanden, jedenfalls konzeptionell auf keinen Fall, und es gab ja weitergehende Überlegungen mit Törten und dem Kornhaus. Das hat ja dann alles nicht stattgefunden, aber das ist die Phase bis 1989.

C F: Dann gibt es 1989 einen Schub. Es kamen einerseits noch Impulse aus den Bauhaus-Kolloquien, die in Weimar und aus den Internationalen Colloquien, die in Dessau stattgefunden haben, und aus dem AiF. Insofern war ein vernetzbarer inhaltlicher Kontext vorhanden. Diese Impulse konnten sich aufeinander beziehen. Mag es immer Rivalitäten gegeben haben, aber es war doch ein Pool von Interessen und klugen Menschen, die sich Vorstellungen gemacht haben.

J M: Ja, und es gab in der Arbeitsgruppe, die Burmeister als Sekretär leitete, eine große Übereinstimmung. In Detailfragen gab es unterschiedliche Auffassungen; es gab ja unterschiedliche Bindungen und die Verantwortlichkeiten gegenüber den Institutionen, aus denen die einzelnen kamen. Ich war ja relativ frei. Im Kulturministerium war es ja sowieso etwas lockerer als im Bauministerium. Aber es gab die Übereinstimmung, dass man was machen muss und dass damit die DDR in der Welt auch Furore machen kann.

Ja, dann kam 1989 und damit die Frage, was nun? Und da gab es die Situation, dass zum ersten Mal in der Geschichte der DDR ein Vereinsgesetz gemacht wurde. Da war die Frage: Kann man das nicht ausnutzen, um dem Bauhaus eine Stellung zu geben? Ich kannte den Leiter der Rechtsabteilung des Ministerrats und bin sofort zu dem hin. Und dann haben wir den Entschluss gefasst: Wir gründen einen Bauhausverein! Das hatten wir vorher mit Martin Kelm abgesprochen und der Erdmann hatte es mit Junker abgesprochen und dann haben wir den Bauhausverein gegründet, einen deutschen Idealverein, wie er heute noch existiert.

Damit war ja erst ein juristischer Schritt getan, der faktische Schritt danach, weil sich dann schon abzeichnete, dass die Ministerien nicht mehr einen so großen Einfluss hatten. Dann gab es den Beschluss – und das ist eigentlich eine unvorstellbare Sache –, dass das Bauministerium, das ja Eigentümer war, und das AiF dem Bauhausverein alles übertragen haben, und zwar sowohl die sachlichen Zeugnisse als auch die finanziellen Mittel. Und die finanziellen Mittel waren nicht wenig. Es war schon ein sechsstelliger Betrag, den Kelm da frei gemacht hat. Dann begann aber die politische Auseinandersetzung: Faktisch war ja nun die Lage geschaffen, dass eigentlich der Bauhausverein Eigentümer des Bauhauses war. Und das wollte Bonn nicht. Da gab es einige Auseinandersetzungen im Bauhaus, mit Vogel aus Bonn. Da war auch Gert Behrens schon dabei, obwohl es am Anfang ein großes Ressentiment gegen den Westberliner Steuerberater gab, wo sich aber schnell herausstellte, dass er vieles richtig sah und gut gemacht hat.

Zunächst gab es ein juristisches Problem. Zwar hatten Junker und Kelm beschlossen, dem Verein alles zu übertragen. Eine Sache haben sie aber nicht bedacht: Bei der Übertragung solch großer Eigentumskonvolute hätte der Ministerrat der DDR diesem Beschluss zustimmen müssen. Und das war der Mangel in diesem Verfahren. Der hätte bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung wahrscheinlich dazu geführt, dass der Beschluss von Kelm und Junkers nicht rechtswirksam ist, weil sie nicht die Deckung des Ministerrats hatten, denn es war ja Volkseigentum. Und nur der Ministerrat hätte es aus dem Volkseigentum herauslösen und dem Verein übertragen können.

Dann stand die Frage: Was macht man denn nun? Dann entwickelten wir die Idee, dass man eine Stiftung machen muss und damit begann der nächste Streit. Eine Stiftung Bauhaus, die also das ganze Sacheigentum und das Haus und das Grundstück und all das kriegt, soll das eine privatrechtliche Stiftung oder eine öffentlich-rechtliche Stiftung sein? Und wir waren natürlich für eine privatrechtliche Stiftung, weil die nicht den Weisungen der Politik unterliegt. Mit Blick auf das schon einmal aufgelöste Bauhaus unterstützte uns auch der damalige stellvertretende Bürgermeister von Dessau Dr. Siegfried, der aus dem Westen kam und Mitglied in unserem Verein war. Er sagte, man muss das Bauhaus völlig frei halten von den Einflüssen der Politik. Aber das ist nicht gelungen. Da hat sich Bonn so stark gemacht, die haben das nicht gestattet, dass die es eine privatrechtliche Stiftung wurde. Es wurde dann eine öffentlich-rechtliche. Es war dann eine günstige Variante, dass das Geld, das Kelm überwiesen hatte, beim Bauhausverein blieb. Wenn man es im Nachhinein betrachtet, hätte eine privatrechtliche Stiftung nicht funktioniert. Die Mittel für einen Betrieb hätten nicht aufgebracht werden können, niemand hätte diese Riesenzuwendung gemacht. Insofern ist es, was die finanzrechtlichen Fragen betrifft, einigermaßen vernünftig verlaufen. Dass es dann aus Interessenwidersprüchen zu Verwerfungen zwischen Stiftung, dem jeweiligen Direktor und dem Verein gekommen ist, liegt vielleicht auch in der Natur der Sache.

C F: Noch bevor Dr. Siegfried von Lüneburg nach Dessau umzog, hatte ich ihn zusammen mit meinem Architekturkollegen Jos Weber von der Hochschule für bildende Künste Hamburg besucht. Genau wie mich trieb auch ihn dieser politischen Zugriff um: Der hat stattgefunden bei der Konstruktion der Stiftung. Denn der Stiftungsrat – also das Gremium, das das Sagen hat –, besteht nur aus Politikern. Damit war die Sache tot. Der Stiftungsrat hat sich zwar einen wissenschaftlichen Beirat zugeordnet, der aber keine Rolle spielt, wie sich spätestens bei der Auseinandersetzung mit und um Philipp Oswalt gezeigt hat. Der Beirat wird übergangen und nicht einmal angehört. Damit haben sich die Politiker den direkten Zugriff auf den Inhalt eingebaut.

J M: Das ist der Geburtsfehler dieser Stiftung. Man hätte sie auch anders konstruieren können.

C F: Das merkt man ja jetzt schon. Das hundertjährige Jubiläum der Gründung des Bauhauses ist als riesiges Event geplant. Das soll beweisen, dass Deutschland nicht zwei Weltkriege vom Zaun gebrochen hat, sondern dass es im 20. Jahrhundert vor allem die Welt verbessert hat mit der Moderne. Da werden sie viel Geld hinein pumpen.

Zurück zu Dir. Du bist, so weisen es die Protokolle aus, zwar bei den Beratungen anwesend, aber von deinem Institut ist nie die Rede.

J M: Ich war auch nicht als Vertreter des Instituts anwesend. Außerdem war nach der Wende das Institut nicht mehr vorhanden. Das ist ja abgewickelt worden. Nach der Wende bin ich Prorektor in Weißensee geworden und hatte eigentlich den Wunsch, das Kulturinstitut wirklich in die Hochschule einzuordnen. Da hätte man einiges machen können, das hat aber nicht geklappt. Mit

Als Heiner Müller Präsident der Akademie der Künste werden sollte, wollte er das nur, wenn ich ihm helfe. Und so wurde ich ein Jahr lang sein Berater. Das war eine lustige Zeit. Ich erinnere mich noch wie heute, weil es auf die Flüchtlingsfrage zutrifft: Wir saßen da in seinem riesigen Büro und dann sagte Heiner, na ja, ist alles ganz einfach. Es ist nur die Frage, wer schneller ist. Die, die eine neue Mauer bauen oder die, die kommen.
An der Akademie der Künste hatten wir einen ›Westanwalt‹, Herrn Löchel. Er war Filmanwalt und den hab ich gefragt, ob ich in seine Kanzlei kommen könnte, mal ein bisschen zugucken. Klar, sagte er, und erzählte überall, dass er einen Professor aus dem Osten als Azubi hätte. Dann habe ich bald eine Kanzlei aufgemacht. Und ungefähr ein dreiviertel Jahr später hatte ich ein Verfahren wegen einer Filmproduktionsfirma, da habe ich einen Kameramann vertreten, und Löchel hat die Produktionsfirma vertreten und wir trafen uns vor dem Arbeitsgericht in Potsdam. Und dann kam er rein und machte etwas, was eigentlich eine Frechheit ist, aber ich fand das immer sympathisch an ihm, er kam rein und sagte zum Vorsitzenden: Na ja, da kann ich ja nur verlieren, wenn ich hier auf den besten Anwalt zwischen Berlin und Warschau treffe. Er hat auch verloren …

In dieser Zeit gab es große Initiativen; auch die Kulturinitiative‘89, die wir ja erhalten haben, die ein paar Arbeitsplätze für ein paar Leute geschaffen hat und auch Zuwendungsempfänger ist. Aber sie hatte nie die Chance, gegen die Kulturpolitische Gesellschaft etwas zu werden, weil die mit Geld und Leuten ausgestattet war und große Konkurrenzkämpfe ahnte. In Berlin wird es ja besonders deutlich, dass die Übermacht derer, die aus dem Westen kommen, immer noch gewaltig ist. Ich bin zum Beispiel in dieser Antikorruptionsgesellschaft Transparency International, die ich mitgegründet habe. Ich bin im Vorstand, glaube ich, der einzige aus der ehemaligen DDR. Nun können sie gegen mich nichts machen, ich bin Gründungsmitglied, außerdem hab die meisten akademischen Titel. Insgesamt ist die Situation so, dass wir wenig haben durchsetzen können.

C F: Gegen die Welle, die aus dem Westen angerollt kam, war nichts zu machen.

J M: Die Sache war ja klar: Es gab so viele Honorardozenten, die Professor werden mussten, weil die sonst irgendwann die venia legendi verloren hätten. Also zack, mussten die die anderen vertreiben.